Gesellschaft: In meinen jungen Jahren galt die Regel der „Bild-Zeitung“, dass alles über einen 80-Zeiler nicht von der Mehrheit der Bevölkerung gelesen wird. Wer sich damals etwas „tiefgründigere“ Kost zu Gemüte führen wollte, hat halt den Spiegel o.ä. gelesen. Okay, dachte ich mir damals. Wenn ein professionelles Boulevardblatt der Bevölkerung nicht mehr als 80 Zeilen zutraut, lässt dies tief blicken. Reden wir doch häufig über gesellschaftliche Themen, die halt nicht ganz einfach sind. Die man polarisieren kann, aber nicht sollte. Die halt, wenn man einen gewissen Anspruch auf Reflektion hat, mit einer gewissen inhaltlichen Tiefe behandelt werden wollen. Kann man, man muss sogar dies so stehen lassen.
Gesellschaften entwickeln sich. Sie sind dynamisch. Wie ein großes Improvisationstheater, das keiner steuert. Gendern, Klimawandel, Gurt- und Helmpflicht, Tempolimit, Impfzwang, eheliche Vergewaltigung, Emanzipation, Pille, neue Rechtschreibreform, M/F/D, die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, ein autofreier Sonntag, u.v.m. sind Entwicklungen, die ich erlebt habe und begleiten durfte. Jede dieser Entwicklungen war/ist mit beträchtlichen Widerständen verbunden. Und mit Populismen <= 80 Zeilen.
Gesellschaften entwickeln sich weiter. Phlegmatisch. Printmedien werden kaum noch gelesen. Die Bild-Zeitung geht weit unter die 80-Zeilen. Ein guter Titel reicht aus, um sich eine Meinung zu bilden.
Social Media ergänzt hier. Während in TIK-TOK mittlerweile 60 Sekunden Videos ausreichen, um sich adäquat zu informieren, zerfleischen sich Facebook-accounts bereits in den Kommentaren, wohlwissend, dass der eigentliche Beitrag nicht gelesen wurde. Und man sich nur am Titel aufhängt. Entwickeln sich Gesellschaften weiter?
Mein eigener Kanal war informativ. Vermittelnd. Brücken bauend. Wenn ich mir aber meine Insights ansehe, dann geht das leider auch nicht über den 80-Zeiler hinaus. Social Media ist kein Medium, um Wissen zu vermitteln. Du kannst im Rahmen Kontakte knüpfen. Du kannst Small-Talk halten. Der Response wird aber überschaubar sein.
Wenn du aber geschickt bist, kannst du über Social Media eine neue Existenz aufbauen. Das halte ich auch für legitim und für eine positive Entwicklung in der Gesellschaft.
Die Conclusio der gesellschaftlichen Zusammenarbeit.
Am Liebsten sind mir mittlerweile Hundevideos.
Ich denke drüber nach.
Christian
